Und das sind beileibe noch nicht alle: Da kommen aspirierende Ständerätinnen und -räte dazu sowie potenziell angehende Regierungsrätinnen und Regierungsräte ... dann noch all die weiteren Menschen auf Werbeplakaten, die uns für irgendetwas begeistern wollen, für den Besuch eines bestimmten Fitness-Studios, einen Ausflug dorthin, wo die Schweiz am schönsten ist, den Genuss eines erfrischenden Biers ... oder what else!
Alle schauen sie uns an – musternd, beobachtend, auffordernd, verführend ...
Wie gehen wir mit diesen vielen Gesichtern um? Was lösen sie in uns aus? Finden wir sie schön? Sind sie uns vertraut? Tun sie uns gut? Haben wir sie gern?
Klar wollen Politikerinnen und Politiker – und solche, die es werden möchten – einen positiven Effekt bei uns auslösen. Auch die makellosen Model-Gesichter zielen darauf ab. Und werden Promis auf Plakatwerbung in Szene gesetzt, fühlen wir uns erst recht persönlich angesprochen, schliesslich kennen wir diese Menschen sehr gut. Sie uns zwar nicht – da mögen sie uns noch so anlächeln –, wir sie aber schon, und manchmal, aufgrund der Boulevardpresse und der Social Media-Kanäle, bis in kleinste Details hinein.
Erlauben Sie mir an dieser Stelle einen kleinen Test mit Ihnen:
Schauen Sie sich die 12 Portraits unten an.
Mich würde nun interessieren:
- Wen davon kennen Sie mit Namen?
- Oder wen haben Sie zumindest schon einmal gesehen?
- Wer löst ein Gefühl der Vertrautheit bei Ihnen aus? Wer ist Ihnen sympathisch?
- Mit wem würden Sie sich gerne unterhalten?
- Und als letztes: Alle 12 haben etwas gemeinsam. Was denken Sie, was es ist?
(( Wenn Sie jetzt weiterlesen, kommt die Lösung. ))
Vielleicht noch ein kleiner Einschub vorneweg:
Ich habe die 12 Personen nicht um Erlaubnis gebeten, ihr Foto hier zu publizieren. – Eine sträfliche Nachlässigkeit in der heutigen Zeit, denken Sie? Normalerweise wäre es das, ja. Doch in diesem Fall ist es das nicht.
Denn, was all diese Menschen gemeinsam haben, ist:
Es gibt sie gar nicht. Sie haben nie existiert. Nie geatmet. Nie gelächelt.
Wenn es Sie interessiert, woher die «Fotos» stammen, dann gehen Sie auf diese Webseite:
https://thispersondoesnotexist.com/
Auf dieser Seite geschieht nur eins: Es werden laufend Gesichtsbilder angezeigt, von Menschen, die es nicht gibt. Die realistisch wirkenden «Fotos» werden spontan mittels eines Generators auf der Basis von Artificial Intelligence erstellt. Bei jedem Reload der Seite entsteht ein neues menschliches Gesicht.
Unheimlich? – Irgendwie schon.
Natürlich sind wir längst vertraut mit Fake News. Doch im Falle dieser «Menschen»-Gesichter wird uns auf besonders krasse Weise aufgezeigt, wie gut wir heute genarrt werden können. An einem Punkt noch dazu, der für unser Leben und unser gesellschaftliches Dasein so unglaublich zentral ist: beim Antlitz unseres Gegenübers. Das Gesicht, der Augenkontakt – darauf bauen wir unsere Beziehungen auf.
Kein Wunder, ist Facebook, das Gesichter-Buch, so gigantisch erfolgreich. Dabei wissen wir inzwischen, dass wir auf dieser Plattform bei weitem nicht allen Gesichtern glauben dürfen. Fake-Profile gibt es zuhauf in diesem elektronischen «Buch». Vorsicht, gesunder Menschenverstand und Achtsamkeit gegenüber unserer Ur-Intuition sind angebracht. Netzwerken ist in der Ära der Fakes eine Herausforderung geworden.
Da loben wir uns dann doch gleich wieder die Wahlplakate an unseren Strassenlampen – hier sehen wir noch reale Gesichter. Vielleicht nicht immer diejenigen, die wir sehen wollen. Aber immerhin echte.
Noch. –
Oder? ...
Geringfügig variiert ist dieser Text im Schlusswort des femdat-Newsletters Anfang Oktober 2019 erschienen. Das Frauenkarriereportal femdat.ch bietet ambitionierten Frauen und Akademikerinnen das umfassendste Stellennetz.