... muss sauberer werden |
Als die Bewegung im Herbst 2017 im kalifornischen Hollywood ihren Anfang nahm, war für mich sogleich klar:
Die Missstände, die thematisiert werden, sind unhaltbar und müssen angeprangert werden. Doch brauchen wir dafür eine neue Bezeichnung? Sexuelle Belästigung ist ein altbekanntes Problem, dessen wir leider immer noch nicht Herr geworden sind – sprich: die Herren sind ihrer leider immer noch nicht Herr geworden (denn in den meisten Fällen liegt die Täterschaft nun mal bei Männern).
Dass die Thematik damals plötzlich einen so riesigen kommunikativen Schub erhielt, hat damit zu tun, dass berühmte, erfolgreiche, ja glamouröse Frauen – von denen man glaubte, sie lebten in einem Paradies auf Erden – sich zu Wort meldeten. Frauen, die es sich gewohnt sind, auf der Bühne zu stehen, vor Publikum zu sprechen. Und doch dauerte es Jahre bis Jahrzehnte, bis sie sich getrauten, über die sexuelle Belästigung zu reden und die Missetäter anzuzeigen. Dies allein schon zeigt, wie demütigend eine solche Erfahrung ist, unter wie viel Druck, Bedrohung und Einschüchterungen Frauen mit diesem Schicksal stehen. Wie viel schwieriger muss es dann erst anderen Frauen fallen, sich zu äussern, die keinen Promi-Faktor mit Anhängerschaft von Fans besitzen, welche ein Auffangnetz für ihren geliebten Star ausspannen.
In diesem Sinn war und bin ich der #MeToo-Debatte dankbar. Sie hebt die Diskussion der sexuellen Belästigung auf ein neues Niveau in der Kommunikation. Sie gibt dank ihrer Ausbreitung auch in den sozialen Netzen zu erkennen, wie gravierend, wie weit verbreitet das Übel ist.
Und sie gab zur Hoffnung Anlass, dass dank dieser neuen Lautstärke und Transparenz im ersten Schritt eine Sensibilisierung und im zweiten eine Besserung herbeigeführt werden könnte.
Doch leider scheint dem nicht so zu sein. Diverse Anzeichen deuten darauf hin, dass sich punkto Sensibilisierung nichts verändert, dass sexuelle Belästigung weiterhin als Kavaliersdelikt unter den Teppich gekehrt wird, dass die Opfer in die Rolle des eigentlichen Problems gedrängt werden und dass dies alles letztendlich die Position der Frau in der Gesellschaft und im Arbeitsleben gar zusätzlich benachteiligt.
Es beginnt schon beim Wording: Da wird der Ex-Nationalrat Yannick Buttet wegen Nötigung seiner ehemaligen Geliebten durch Stalking strafinstanzlich verurteilt, und die als intelligenteste Zeitung der Schweiz gehandelte NZZ spricht von einem Politiker, der «über eine Frauenaffäre gestolpert» sei – als sei Buttet ein ahnungs- und schuldloser Passant, dem ein Problem (eine Frau ...) in den Weg gelegt worden sei.
Viel krasser sind dann leider Vorkommnisse wie solche bei Ernst & Young Schweiz, die sich trotz #MeToo nach wie vor so abspielen. Eine Frau wehrt sich gegen die sexuellen Belästigungen und Bedrohungen eines Führungsmitglieds, wird weiter gemobbt, schliesslich krankgeschrieben und verlässt die Firma zuletzt – mit einer hohen Abfindung. Der Fall wird in den Personalakten des Täters nur marginal erwähnt. Wenig später wird er gar befördert. Erst der Druck der Öffentlichkeit, nachdem eine Online-Petition den Sachverhalt aufgegriffen hatte, führt dazu, dass das Kadermitglied entlassen wird – fristlos. Ein Transparent von SWISS LEAKS ruft mit #EYTOO zu Recht das EY Mutterhaus auf: «Mark, clean up EY Switzerland now!»
Und nun scheint es gar noch so, dass die #MeToo-Welle sich überschlägt und auf die Frauen zurückfällt. Denn: Frauen angestellt zu haben, bedeute für ein Unternehmen – so wird verquer argumentiert – ein «Prozessrisiko» ... potentiell bestehe die Gefahr einer Klage wegen sexueller Belästigung oder aber wegen Diskriminierung.
Schöne neue Welt – bleibt mir da nur zu sagen, wenn die potentielle Gefahr bei den Opfern und nicht bei den Tätern geortet wird.
Zu hoffen bleibt, dass die #MeToo-Debatte in ihrem dritten Jahr ein paar positive Früchte für die Frauen hervorbringen möge. Nötig hätten wir sie dringendst.
Dies wünsche ich mir für 2019: eine sauberere Schweiz
und ein gutes neues Jahr für Sie und uns alle.