Lassen Sie uns mal ein bisschen Scheitern !

Ein österliches Loblied auf den Misserfolg

Die verschiedenen Stufen von effektivem Lernen (mit dem Ziel also, dass möglichst viel hängen bleibt und zu einer Weiterentwicklung der persönlichen Kompetenz beiträgt) habe ich seinerzeit in der Schule folgendermassen vermittelt bekommen –

zu lesen von unten nach oben:

                              4.  etwas nacherzählen oder erklären
                    3.  etwas hören und sehen gleichzeitig
          2.  etwas sehen
1.  etwas hören

Bei Stufe 1 bleibt ca. 20% dessen hängen, was vermittelt wird. Von Stufe zu Stufe steigert sich dieser Wert bis hin zu 70% auf Stufe 4.

Im Verlauf meiner Weiterbildung im Erwachsenenalter wurde dieses Treppchen um eine nächste Stufe erhöht (klar, auch die Theorie des Lernens lernt mit der Zeit dazu und wird gescheiter):
 
                                                 5.  etwas selbst machen.

Nun seien wir bereits bei sagenhaften 90% des Lernerfolgs, weiss die Psychologie des Lernens.

So richtig spannend finde ich nun aber jene Lernwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, die sich mit der nächsten Stufe befassen (ob wir damit die 100%-Grenze erreichen oder womöglich gar übertreten, ist mir allerdings nicht bekannt):
 
                                                                      6.  Lernen durch Scheitern

Damit setzt sich beispielsweise der ETH-Professor Manu Kapur auseinander (www.manukapur.com). Er findet für diese Stufe euphorische Worte: Er spricht von der «Kunst des produktiven Scheiterns» und «dass man sich das Lernen nicht immer erleichtert, wenn man sich das Lernen leicht macht», indem man z.B. jemanden fragt, der Erfahrungen hat. Er ruft geradeswegs dazu auf, zuerst zu scheitern, bevor man etwas richtig macht. Vor eine schwierige Aufgabe oder eine Herausforderung gestellt, sei es sinnvoller, sich zuerst selber daran zu versuchen und gegebenenfalls daran zu scheitern. Erst anschliessend soll Expertenwissen beigezogen werden. Gemäss Studien wirkt sich Scheitern positiv auf unsere Synapsen aus. Es aktiviert bestehendes Wissen, macht uns aufnahmefähiger für neue Informationen und ermöglicht so die ideale Verknüpfung von alten und neuen Kenntnissen.

Es geht um die «Kunst, Misserfolge gezielt heraufzubeschwören und für effektives Lernen zu nutzen».

Das klingt vielleicht etwas provokativ, für mich aber irgendwie logisch.

Darum: Lassen Sie uns aus – aktuellem Oster-Grund – mal ein bisschen herumeiern! Vor dem Eiertanz müssen wir uns in diesen Tagen ohnehin nicht fürchten: die meisten Eier dürften hartgesotten sein. Und wollen eh über kurz oder lang zerschlagen werden.
 
Ich wünsche allen Lakritza-Freunden von Herzen viel Freude, gutes Tütschen und wirksames Lernen aus kunstvollen Brüchen.

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