Die «Lebenskarriere» eines Mädchens direkt zur Frau gab es damals noch nicht. Ein Mädchen konnte nur und erst durch Ehelichung zur Frau werden, also erst die Beigabe «Mann» machte ein weibliches Wesen zur vollwertigen Frau.
Zeitgleich mit der – mehr oder weniger offiziellen – Abschaffung des leidigen «Fräuleins» im allgemeinen Sprachgebrauch setzte ich mich über zwei Jahrzehnte hinweg energisch für genderneutrale Begriffe oder Doppelnennungen der Geschlechter in geschriebenen Texten und in gesprochener Sprache ein. Männer, die mich mit Fräulein adressierten, bekamen konsequenterweise ein «Herrlein» zurück. (Eigentlich zu brav, denk' ich heute, es hätte ein «Männlein» sein müssen.)
Tja, und da haben wir nun die aktuelle Diskussion rund um die Benamsung jener essbaren M-Köpfe, die nicht nur innerhalb des orangen Riesen, sondern weit darüber hinaus für ebensolche roten sorgt. Auch Uncle Ben’s Gesicht soll, nach 100 Jahren strahlender Dunkelheit, nun am Erbleichen sein, wie man liest. Und so wird wohl noch manch anderer Brand demnächst unter Druck geraten.
Wie damals zu Fräuleins Zeiten wundere ich mich wieder. Zuerst einmal darüber, dass es den tragischen Tod eines George Floyds brauchte, um die weltweit existierende Diskriminierung von Menschen mit einer anderen Hautfarbe als weiss auf breiter Ebene ins Bewusstsein zu rufen. Und weiter wundere und ärgere ich mich, dass die Diskussion so rasch ins Abstruse abgleitet.
Sind wir seit der «Fräulein-Zeit» bis heute tatsächlich nicht gescheiter geworden? Hatten wir in all diesen Jahren denn nie realisiert, dass der Begriff Mohrenkopf rassistisch ist? Oder dass uns ein Sklave von der Reispackung entgegen lächelt?
Ich mag Uncle Ben’s Reis. Und ich liebe die Dubler Mohrenköpfe. Beides habe ich in den vergangenen Jahren bedenkenlos gekauft und genossen – im Wissen darum, dass die Geschichte hinter der Bezeichnung resp. dem Logo verwerflich ist. Denn ich kann differenzieren zwischen a) einem Produkt, b) seiner unehrenhaften Bezeichnung und c) dem tatsächlichen Missstand in der Gesellschaft. Darum werde ich diese Produkte – sofern sie denn weiterhin angeboten werden – auch in Zukunft gerne kaufen und geniessen. Das Grundprinzip meiner Lebensideologie, dass alle Menschen gleichwertig sind und entsprechend gleichwertig behandelt werden müssen, wird dadurch nicht tangiert. Für dieses Prinzip stehe ich jederzeit vehement ein.
Wo und wann immer wir heute Menschen adressieren oder über Menschen sprechen, bin ich nach wie vor eine kompromisslose Verfechterin des korrekten, diskriminierungsfreien Sprachgebrauchs, so wie ich mich damals gegen das «Fräulein» wehrte.
Doch ist es zielführend, eine generelle Sprachbereinigung durchzuzwingen? Also: Sollen wir jetzt nicht mehr, à la Schiller, sagen dürfen: «Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan»? Soll die Gemeinde Möriken-Wildegg tatsächlich Namen und Wappen ändern müssen? (Wenn ja, wäre mein Vorschlag: Möhriken mit h schreiben und den Mohr mit einem Aargauer Rüebli ersetzen). – Und wo würden wir dann eine Grenze ziehen? Würden wir z.B. noch von «Schwarzfahrern» sprechen dürfen?
Unsere Sprache, unser Sprachgebrauch, die Kommunikation schlechthin, ist gespickt mit Ausdrücken, Redewendungen, Bildmotiven, die von Verwerflichem aus der Vergangenheit zeugen. Dennoch sollten wir nicht alles ausmerzen – in der irrigen Meinung, damit wäre das Schlechte eliminiert oder gar ungeschehen gemacht. Vielmehr sollten wir diese Beispiele zum Anlass nehmen, uns der Geschichte sowie der Gegenwart mit allem Belastenden zu stellen, uns dessen bewusst zu werden, uns mental zu sensibilisieren, und ausgehend davon eine diskriminierungsfreie aktuelle und zukünftige Kommunikation führen. Und uns natürlich auch ebenso verhalten.
Wenn ich Inhaberin und Produzentin der Dubler Mohrenköpfe wäre, würd ich mich – ebenfalls wie damals, als ich noch ein «Fräulein» war – gegen die ganze Debatte auflehnen. Und zwar mit einer provokativen, augenzwinkernden Gegenoffensive.
Warum nicht die Diskriminierung weiterer Menschen miteinbeziehen, auch Klischeebezeichnungen für Weisse einschliessen, und uns alle in Form einer süssen Schoko-Schaumspeise aufs selbe «Serviertablett» bringen? An Dublers Stelle würde ich ergänzend zum «Mohrenkopf» ein «Bleichgesicht» kreieren, mit weisser Schokolade drum herum. Dazu ein «Schlitzauge» und eine «Rothaut» – Schokolade lässt sich ja problemlos einfärben. Toll fänd ich auch eine Serie «Bitches». Dazu die «Machos». Bestimmt lassen diese sich in einer originellen Alu-Verpackung augenfällig in Szene setzen (vielleicht nicht gerade mit nackten Menschenfiguren in Kombination mit Tieren – also ehrlich, grosser Riese ...).
Und dann würde ich eine Special Discrimination Edition herausgeben: Alle sechs Köpfe assortiert in einer hübschen Schachtel mit einer Banderole drum. Aufschrift: «... und das Problem ist gegessen!»