Lakritza-Büchertipp
Thomas Meyer - der Name des Autors ist so alltäglich-gewöhnlich, dass man ihn kaum memorisieren kann.
Und der Titel seines Erstling-Romans ist so umständlich-kompliziert, dass man sich den erst recht nicht merken kann: Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse.
Und der Titel seines Erstling-Romans ist so umständlich-kompliziert, dass man sich den erst recht nicht merken kann: Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse.
Sei's mit diesen Benamsungen wie's ist - eines ist klar:
Der Charme des Buches bleibt auf jeden Fall bei der Leserin, dem Leser haften!
Der Charme des Buches bleibt auf jeden Fall bei der Leserin, dem Leser haften!
 Foto: Lukas Lienhard |  |
Erzählt wird auf höchst liebevoll-humoristische Weise von den Nöten eines heutigen jungen Mannes aus einer jüdisch-orthodoxen Familie, dessen Mutter energisch ihres Amtes als schidech (Brautvermittlerin) waltet, da sie baldmöglichst die chassene (Hochzeit) ihres Sohnes feiern will.
Nun klingt der Plot aufs erste nicht sonderlich innovativ (Anatevka und zig Konsorten lassen grüssen). Doch die Art und Weise, wie das hier erzählt wird, ist einzigartig. Dem Sog der jüdisch-orthodoxen Exotik - es sei mir erlaubt, das so zu bezeichnen, da mir diese Welt so gar nicht vertraut ist - konnte ich mich nicht entziehen. Was wohl zu einem grossen Teil daran liegt, dass die Ereignisse aus der Ich-Perspektive des jungen Mannes erzählt werden, und daran, dass der Text nicht nur mit vielen jiddischen Wörtern durchwoben ist (das Glossar am Ende des Buches ist zwingend notwendig), sondern dass Thomas Meyer sich einen Deut um konventionelle Rechtschreibung schert, dafür aber kurzerhand eine eigene jiddisch-anmutende Orthographie kreiert.
Eine kleine Leseprobe gefällig?
Als ich vor einiger zajt von einer solchen Reise heimkehrte, erwartete mich meine mame am Esstisch, vor sich die zerknüllten Verpackungen von zwaj Tafeln Schokolade.
"Nu, Motti?", fragte sie, ihre ojgn wie chanike-Kerzen.
"Ich wajs nischt, mame", wich ich aus, um doch irgendwann mol etwas zu sagen.
"Wus wajstu nischt?", blähte sie ihre Brust.
Ich fuhr mir mit der hant in den bort, denkend: Jetzt kannst der eigenen Mutter ja schlecht sagen, das mejdl gefelt mir nicht, die sieht aus wie du.
Also sagte ich: "Da war nischt kejn funk zwischen uns, mame."
"Kejn funk!", rief die mame. "Was brauchst du a funk! Du brauchst a froj!"
Der humoristische Erzählstil, der sich durch den ganzen Roman zieht, vermag über längere Zeit den Eindruck zu erwecken, es handle sich um ein locker-leichtes, amüsantes Buch. Doch immer mehr kommen auch nachdenklichere Passagen vor, existenzielle Fragen werden angetönt, und der Protagonist muss erkennen, dass eigenständiges Denken und Handeln schmerzhaft und verlustreich ist.
Genau da liegt die andere grosse Qualität des Buches: Das charmante Geplänkel mit der Leserschaft geht nicht auf Kosten des ernsthaften Bewusstseins, dass das Hin- und Her-Gerissen-Sein zwischen Tradition und davon abweichendem Lebensbedürfnis ein verstörender, unlösbarer Konflikt sein kann. So amüsant das Buch zu lesen ist - es lässt einen am Schluss süss-melancholisch zurück.
Mein Fazit zum Wolkenbruch'schen Schicksen-Tripp:
Me ken lekn di finger!
(Man kann sich die Finger ablecken!)
(Man kann sich die Finger ablecken!)
Thomas Meyer: Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse,
Salis Verlag Zürich, 2012.
ISBN 978-3-905-80159-0
E-Book 978-3-905801-60-6
Salis Verlag Zürich, 2012.
ISBN 978-3-905-80159-0
E-Book 978-3-905801-60-6
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