Wissen Sie, was auf dem untenstehenden Foto zu sehen ist?
Auch keine Palette für Farbtöpfchen unterschiedlicher Grösse.
Ein Tipp:
Es nennt sich «Zervixdilatations-Messungs-Board».
– Na? Immer noch keinen Dunst?
Nun, es ist eine Mess(p)latte, die aufzeigt, wie sehr der Muttermund einer gebärenden Frau sich öffnet, bis er bei Weite 10 in der Lage ist, das Köpfchen des Kindes durchgehen zu lassen.
Ich mag mich ehrlich gesagt nicht daran erinnern, dass die Hebamme bei der Geburt meiner zweiten Tochter (die erste kam steisslagebedingt kaiserschnittig zur Welt) ein solches zur Hand gehabt hätte – obwohl damals beim Ausweitungsprozess von 1 bis 10, der mehr als 20 Stunden gedauert hatte, durchaus Zeit gewesen wäre, mal ein solches anzulegen. Ich will mir auch gar nicht die Frage der Sinnhaftigkeit eines solchen Boards stellen. Vielmehr möchte ich einstimmen ins Loblied, das zurzeit auf Social Media Plattformen ertönt, auf denen Fotos von diesem Holz geteilt werden – ein Loblied auf den weiblichen Körper, der ohne vorgängiges Dehnungstraining zu einer so ausserordentlich flexiblen Höchstleistung fähig ist.
Ja, das tut gut!
Denn schliesslich bereitet der weibliche Körper sonst genügend Mühsal. Uns Frauen selber, wenn er unserem eigenen kritischen Blick nicht standhält. Den Männern, die sich seinetwegen zu sexistischen Worten und Taten verleiten lassen. Von all den vielen Frauenbeschwerden und -krankheiten wollen wir gar nicht erst sprechen. Und dann: Eben gerade auch weil der Frauenkörper so dehnbar ist, hat ihn die Natur dazu auserkoren, den Nachwuchs zu empfangen, gedeihen zu lassen, zu gebären, zu stillen. Mit der weitergehenden Folge in der Wirtschafts- und Arbeitswelt, dass Frauen durch die Mutterschaft zwangsläufig für eine gewisse Zeit von der Bildfläche verschwinden – selbst die ehrgeizigsten mutterwerdenden Frauen kommen um eine minimale Auszeit nicht herum. Und wo das hin führt, wissen wir alle nur zu gut: Zum berühmt-berüchtigten Mutterschafts-Karriereknick.
Doch Rettung ist nun in Sicht: die künstliche Gebärmutter ist im Vormarsch! Und das in Riesenschritten. Zwar wird sie heute erst für Tiere eingesetzt. Doch man spricht bereits von «wenigen Jahren», in denen die heutigen Brutkästen ihre Funktion massiv erweitert haben werden, so dass es in bald absehbarer Zeit möglich sein soll, eine menschliche Schwangerschaft vollständig ausserhalb des weiblichen Körpers stattfinden zu lassen.
Ich muss ehrlich zugeben, dass mich bei dieser Vorstellung im ersten Moment ein metaphysisches Gruseln à la huxleyscher «Brave New World» beschleicht. Abgesehen davon, dass ich meine Schwangerschaften trotz der üblichen Beschwerden sehr genossen habe, drängt sich mir die Frage auf, ob wir wirklich in diese Richtung gehen wollen. Gleichzeitig bin ich mit einem sehr pragmatischen Realitätssinn gesegnet und glaube daher zu ahnen, dass wir diese Entwicklung über kurz oder lang nicht werden aufhalten können. Die Entwicklungen der Wissenschaft haben bisher noch immer ihren Weg gemacht. Sie werden es bestimmt auch hier.
Die Aussage der Philosophin Lily Frank sorgt bei mir für eine erste innere Entspannung. Sie meint: «Ich persönlich könnte mir durchaus vorstellen, eine künstliche Gebärmutter zu nutzen, wenn sie dereinst alle Bedingungen perfekt simuliert.»
Ja, warum eigentlich nicht? Im Roman «Meine geniale Freundin» thematisiert Autorin Elena Ferrante die bevorstehende Hochzeitsnacht und mögliche Schwängerung ihrer Protagonistin Lila und wählt dafür die harten Worte, dass der Mann die Frau mit diesem Akt «deformiert». Das klingt brutal – doch die Wahrheit ist dem in der Tat nicht abzusprechen. Schönes Lochholz hin oder her – in früheren Zeiten haben viele Frauen bei der Geburt ihr Leben gelassen. Geburtszangen, Saugglocken und Dammschnitte (bei letzterem weiss ich genau, wovon ich spreche – acht Wochen nach der Geburt konnte ich noch immer nicht schmerzfrei sitzen) haben bis heute Hochkonjunktur.
Darum ja, vielleicht wird das tatsächlich die Lösung sein für die Frauen: eine Familie gründen zu können, ohne gesundheitliches Risiko, ohne Verlust der körperlichen Schönheit, ohne geburtsbedingte Berufspausierung.
Und dann hoffentlich vor allem: Mit der Chance auf vollständige Gleichberechtigung in der Arbeitswelt.
Bis es so weit ist, heisst allerdings die Devise: Streikt, liebe Frauen, streikt!
Am heutigen 1. Mai – dem Tag der Arbeiterinnen.
Und am 14. Juni – dem schweizweiten Frauenstreiktag.